Geschichte(n)

 

Wie ich zu den Opalen kam (1996)

Wenn wir abends auf ein ‘Stubby’, ein Bierchen, zu Acker in den Sheepyard Inn gingen, war meistens auch Fritz da. Fritz aus Germany, immer unrasiert, immer gut drauf, immer mit orangem Frotteeschlapphut. Und immer für ein Schwätzchen bereit.

Jedes Mal, wenn er seine schon oft erzählten Stories und Gedanken in flexibler Reihenfolge und begleitet von seinem einzigartigen Kichern zum Besten gegeben hatte, klopfte er sich aufs Knie und meint, „Ja, über unsere Geschichten könnte ich ein Buch schreiben.“ Und da dachte ich: „Ja, sollte ich mal“.

Aber bei welcher der Geschichten fange ich da am Besten an? Bei meiner eigenen? Und wo da? Als ich das erste Mal die Opalsammlung einer Freundin sah? Oder als in mir der Wunsch auftauchte, nach Australien zu fahren, um die Opale mal in ihrer ‘natürlichen’ Umgebung zu sehen? Aber eigentlich fing es erst so richtig eben in diesem Pub an, im Sheepyard Inn.

1994 komme ich nach einer sechsmonatigen Reise durch Asien nach Australien. Hauptsächlich deshalb, weil es direkt ‚nebenan’ lag. Und um einen triftigeren Grund zu haben, wegen dem Tauchen und wegen der Opale.

In Südaustralien, in Coober Pedy, bleibe ich zwei Wochen hängen. Für die meisten Reisenden ist Coober Pedy bestenfalls ein Ort mit Bus-Stop und Abendessen in der Milkbar. Die etwas mehr Interessierten bleiben einen Tag und nehmen an einer Tagestour teil, in deren Verlauf man Museen, Dugouts (Wohnungen unter Tage), Dingozaun und Mad-Max-Landschaft besichtigt.

Bei diesem ersten Besuch erscheint mir die Stadt optisch gesehen unwirtlich und trist. Tagsüber laufen kaum Menschen durch das staubige Straßenbild. Man entdeckt weder Baum noch Busch noch sonst irgendetwas Nettes, das die grauen Flachbauten auflockert. Wahrscheinlich, um das Fehlen jeglicher lebendiger Natur auszugleichen, wurden einige Häuser mit bunten Fassadenmalereien geschmückt. An der Hauptstraße reihen sich Tankstelle, zwei Supermärkte, die Bank, die Post, mehrere Backpacker Hotels und unzählige Opalläden und -schleifereien aneinander. Die meisten Touristen befinden sich auf der Tagestour, die wenigen, die der Wunsch, einen Opal selbst zu finden, derart gepackt hat, dass sie ihn in die Tat umsetzen wollen, liegen am Rande der Stadt im Dreck.

Vor ein paar Jahren noch durfte man ganz offiziell die Aushubhügel der Minen auf übersehene Opalstücke hin absuchen. Aber unter dem Vorwand der Gefahr, in einen der meistens unmarkierten Schächte zu stürzen, wahrscheinlicher aber wegen Protesten von Seiten der Schürfer, die den Abraum bisweilen noch mal durch Schwarzlichtkammern laufen lassen, um so auch noch kleine Opalchips auszusortieren, ist dies inzwischen verboten worden.

Ein dafür freigegebenes Gebiet gibt es allerdings doch noch am südöstlichen Rand von Coober Pedy. Hierhin musste früher der Abraum der stadtnahen Minen transportiert werden. Und in diesen riesigen Sandkasten kann sich nun der besessene Tourist mit Schaufel und Sieb ausgestattet begeben und sein Glück versuchen.

So auch ich. Zehn Tage liege ich hier auf dem Bauch auf einem Hügel und lasse den losen Dreck durch meine Finger rieseln. Ich weiß noch nicht, dass auch unscheinbar aussehende Potch-Stückchen eine wahre Pracht beinhalten können. Dazu müsste ich sie mit einer Beißzange aufknacken. Trotzdem kommt ab und zu ganz Ansehnliches zum Vorschein, wenn ich nachmittags meine Fundstücke zu einem Schleifer bringe.

Den Abend kann man in einem der Pubs oder im italienischen oder griechischen Club verbringen. Jede hier in großer Anzahl vertretene Nationalität hat ihren Club. An den Wochenenden verwandeln sich die Clubs oft in Diskotheken. Während der Woche gibt’s Geschichten beim Kartenspielen und Biertrinken.

Hier lerne ich auch Graham und seinen Freund Rick kennen. Beide sind aus Melbourne und malen sich täglich die glücklichen Funde von morgen aus. Seit fünf Wochen warten sie darauf, in der Mine eines Freundes mitarbeiten zu dürfen. In der Zwischenzeit gehen sie zu den Abraumhügeln. Für den Lebensunterhalt helfen sie im Backpacker Hotel mit. Wände streichen, Reparaturen.

Als ich ein Jahr später wiederkomme, sind die beiden nicht mehr da. Zu meinem Erstaunen kennen mich aber alle Leute sogar noch mit Namen, mit denen ich in den 2 Wochen zu tun hatte.

Ein paar Wochen nach meinen ersten Opalerfahrungen buche ich in Sydney eine 7-tages Tour, die Opal-Outback-Experience-Tour von Ando. Ich sehe darin für mich als Rucksack-Reisende die beste Möglichkeit, nach Lightning Ridge, die für ihre schwarzen Opale berühmte Schürferstadt im Inland von New South Wales, zu kommen.

Nach dem Besuch einer Schaffarm und dem Parkes-Teleskop, mit dem 1969 die erste Mondlandung empfangen wurde (sehr zu empfehlen: der australische Spielfilm „The Dish“ mit Sam Neill), kommen wir in die Opalstadt.

Unser erster Tag besteht aus einer Stadttour und den Besuchen einiger denkwürdiger Bewohner. Am nächsten Tag dürfen wir ein wenig in Andos Mine herumkratzen. 1995 soll dabei eine Tourteilnehmerin beneidenswertes Glück gehabt haben. Sie fand einen Opal im Wert von 8000 A$. Seitdem gilt die Abmachung, dass die Funde mit Ando geteilt werden.

Der Nachmittag ist für Pub-Besuche reserviert. Wir fahren die 70 km nach Grawin, einem Opalfeld und fangen mit dem Grawin Pub an. Im Freien sitzen wir auf Kunstledersofas und entkorken Stubbies, die kleinen Bierflaschen. Bei Pete´s Palace, oder auch Hilton genannt, schmeißen wir uns in den „swimming pool“, einer umzäunten Ansammlung tausender leerer Bierdosen. Leider gibt es den Pool heute nicht mehr. Hilton ist ein etwas irreführender Name, besteht der Pub doch aus einer Bretterhütte, Naturboden und einem kleinen Ofen.

Im Pub Sheepyard Inn wird der Touristenbus schon erwartet. Es ist voller als gewöhnlich, denn die Neuankömmlinge bringen Abwechslung in die Pubgesellschaft.

Jeder von uns Tour-Teilnehmern ist auch sofort von Gesprächspartnern in Beschlag genommen. Ich komme mit Don Hatton und Craig ins Gespräch. Don Hatton ist schon seit vielen Jahren Vollzeitschürfer und bietet mir an, in seiner Mine mitzuarbeiten. Allerdings hat er gerade ein paar Bierchen getrunken. Craig ist Schafscherer und bietet mir an, ihn zu heiraten. Allerdings hat er gerade ein paar Bierchen zuviel getrunken. Um mich nicht entscheiden zu müssen, fange ich ein Gespräch mit Helmut Rockstroh an. Er ist Farmer und arbeitet seit 1987 in seiner Mine im Glengarry Opalfeld.

Ein paar der mit mir reisenden Frauen hatten gewitzelt, sie wollen hier einen millionenschweren Schürfer kennen lernen. Tatsächlich kommt Fiona Downs, eine Londonerin, mit 500 A$ zurück zum Bus. Sie hat das Geld von einem Schürfer bekommen, um das Geld an von ihr betreute kranke indische Kinder weiterzugeben. Der Schürfer hatte an diesem Tag einen „good run“. Wieder einmal hatte er ein Opalparcel für 50.000 A$ gefunden. Fiona hat ihren Millionär getroffen. Ich immerhin einen Opalschürfer.

Und so fing es eigentlich erst richtig an.